24.02.2024 15:57 Alter: 63 days
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Gemeinsam für Offenheit und Toleranz

Schüler der 10. Jahrgangsstufe der Ernst-Ludwig-Schule nahmen am Jahrestag des Anschlags in Hanau an einer Veranstaltung gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus teil.



Ohnmächtig, unsicher, gelähmt - so bezeichnete Burak Yilmaz seine Gefühle, als er 2019 von den Anschlägen in Halle und ein Jahr später in Hanau erfuhr. „Ich sah buchstäblich meine Existenz bedroht“, schilderte der 37-jährige Sohn türkisch-kurdischer Eltern. Seine Oma habe, angesichts der jüngsten Entwicklungen in Deutschland, überlegt, zurück in die Türkei zu gehen. „Aber, Burak, wohin gehst Du? Du bist hier geboren. Du bist ein Deutscher.“  

Die Veranstaltung fand auf den Tag genau vier Jahre nach dem Anschlag eines Rassisten auf Menschen mit Migrationshintergrund statt und wurde gefördert von der Partnerschaft für Demokratie Wetterau aus dem Förderprogramm "Demokratie leben!" des Bundesfamilienministeriums. Burak Yilmaz, der aus Duisburg stammt und sich seit Jahren gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus engagiert, ist selbständiger Pädagoge und Autor. Seine bekannteste Publikation ist: „Ehrensache – Kämpfen gegen Judenhass“. Als Experte berät er zudem den Deutschen Bundestag zu diesem Thema. Anlässlich des Jahrestags der Anschläge in Hanau war er zu Gast an der ELS, um Jugendliche der 10. Jahrgangsstufe von seinen persönlichen Erlebnissen zu erzählen und sie darin zu bestärken, Haltung gegen Antisemitismus und Rassismus zu zeigen.

Mit seiner unverblümten Art schaffte es Yilmaz, schnell eine Verbindung zu den Jugendlichen aufzubauen. In der großen Mehrzweckhalle schuf er eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der sich zunehmend mehr Schüler zu Wort meldeten und nach der Veranstaltung sogar noch ein bisschen länger blieben, um persönlich mit ihm zu sprechen und Selfies zu machen.

Yilmaz, der als Deutsch- und Englischlehrer die Situation an den Schulen genau kennt, erzählte von eigenen Erlebnissen, von rassistischen Anfeindungen und dem Lernprozess, den er durchlaufen musste. Mit seinen persönlichen Berichten und vielfältigen Erfahrungen aus seiner Jugend knüpfte er direkt an die heutige Lebenswelt der ELS-Schüler an und machte deutlich, was rassistische Witze und Anfeindungen bei Betroffenen auslösen. Es habe ihn wahnsinnig verletzt, wenn er aufgrund seiner Herkunft oder Religion beleidigt wurde. Wenn er sich zur Wehr setzte, war er meist der Dumme und bekam Ärger. „Was glaubt ihr, wer den Klassenbucheintrag bekam?“ fragte er die 10. Klässler. Die Reaktionen ließen erkennen, dass solche Situationen den Jugendlichen durchaus bekannt sind. „Letztlich geht es den Tätern nur um die Ausübung von Macht“, so Yilmaz. Auf die Frage einer Schülerin, was man denn dagegen tun könne, lieferte er konkrete Antworten: Haltung und Zivilcourage zeigen, die Perspektive des Opfers einnehmen, nicht schweigen, sondern die Täter offen ansprechen und fragen, was sie mit ihrem Verhalten bezwecken möchten.

Yilmaz nahm während seiner Ausführungen auch immer wieder Bezug zum Nahostkonflikt, der derzeit auch die Schülerschaft an der Ernst-Ludwig-Schule beschäftigt. Wie viele der Zuhörer habe auch er Freunde auf beiden Seiten des Kriegsgebiets in Palästina und Israel. Der Bericht über antisemitische Anfeindungen, die eine jüdische Freundin erleiden musste, löste Betroffenheit bei den Schülern aus. Schließlich sprach er die Fragen aus, die viele Menschen zurzeit beschäftigen: Was macht dieser Krieg mit uns hier in Deutschland und mit unserer Gesellschaft?

Die Veranstaltung war nicht nur eine Gelegenheit, um über die Bedeutung von Offenheit und Toleranz zu sprechen. Sie hat gezeigt, dass es möglich ist, gemeinsam gegen Vorurteile und Diskriminierung vorzugehen. Antisemitismus und Rassismus sind Feinde der Demokratie, resümierte der Leiter des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfelds, Helmut Walter, am Ende der Veranstaltung.

Sandra Wolf